Geschichte des DOWAS
Die Geschichte des DOWAS (Durchgangsorts für Wohnungs- und Arbeitssuchende) beginnt im Jahr 1975 mit dem Projekt des Übergangswohnhauses in der Völserstraße 19. Wohnungs- und arbeitslosen Jugendlichen und jungen Erwachsenen wurde eine vorübergehende Wohnmöglichkeit geboten – die Hilfe orientierte sich unmittelbar an den praktischen Alltagsproblemen.
Die Analyse der Schwierigkeiten, mit denen sich die Leute konfrontiert sahen, bekam sehr schnell auch eine explizit sozialpolitische Dimension. Die Einrichtung, aus der Not geboren, entwickelte sich kontinuierlich weiter, Standards professioneller Sozialer Arbeit wurden eingeführt.
Im Zentrum standen und stehen die Sozialberatung, Betreuung und Unterbringung von wohnungslosen Erwachsenen und Jugendlichen als Alternative zur öffentlichen Sozialverwaltung. Insofern war die Eröffnung des Chill Out im Jahre 1999 ein stringenter nächster Schritt in der inhaltlichen Weiterentwicklung. Beschränkte sich über Jahrzehnte die Arbeit auf Innsbruck, ist der Verein DOWAS mittlerweile auch im Tiroler Ober- und Unterland tätig.
Vier Sozialberatungsstellen und ca. 70 Wohnplätze in betreuten Wohnformen haben die Verbesserung und Stabilisierung der Lebenssituation zum Ziel: Existenzsicherung, die Verhinderung und/oder Beendigung von Wohnungslosigkeit. Handlungsleitend ist nicht das fürsorgliche Helfen, sondern das parteiliche Eintreten für die Belange der Menschen, die von sozialer Ausschließung betroffen oder bedroht sind.
Neben dieser Arbeit setzt das DOWAS seit jeher auf Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit hinsichtlich der gesellschaftlichen Mechanismen, die Armut, Ausgrenzung, Wohnungs- und Arbeitslosigkeit produzieren. Diese kritische Auseinandersetzung und die Einmischung zu Fragen der „sozialen Gerechtigkeit“ orientieren sich nicht nur an der materiellen Unterversorgung breiter Bevölkerungsschichten, der die gesellschaftlich produzierten Ressourcen vorenthalten werden. Um als Beispiel beim Wohnen bzw. der Wohnversorgung zu bleiben: es handelt sich nicht nur um einen Raum, der die individuelle Reproduktion sicherstellt, sondern muss als Garantie für Privatheit, Individualität und persönlicher Sicherheit dienen.
Unsere Grundhaltung zur Sozialen Arbeit
Die Arbeit des DOWAS/Chill Out basiert auf dem Grundsatz, dass in Ergänzung zu Einrichtungen der öffentlichen Sozialverwaltung alternative Modelle von Beratung, Betreuung und Unterbringung für wohnungslose Menschen entwickelt und umgesetzt werden.
Menschen, die von sozialer Ausgrenzung und Armut betroffen sind, müssen auf der Grundlage der ökonomischen Verhältnisse als handelnde Subjekte unterstützt werden, ein Leben führen zu können, das individuelle soziale Spielräume eröffnet.
Soziale Arbeit darf sich allerdings nicht auf ein „juristisches, administratives und therapeutisches Management der Bedürfnisbefriedigung“1 reduzieren oder ausschließlich als Hilfe zur Selbsthilfe verstanden werden. Soll anderen durch Druck geholfen werden, solange sie die Hilfe annehmen und ihre Probleme schließlich selbst lösen können? Diese Logik ist Teil des aktivierenden Sozialstaats und läuft letztlich darauf hinaus, zwischen förderungswürdigen und förderungsunwürdigen Individuen zu differenzieren und markiert den Wandel der Sozialen Arbeit von der Pathologisierung zur Responsibilisierung.2
Handlungsleitend ist nicht das fürsorgliche Helfen, sondern das parteiliche Eintreten für die Belange der Leute, wobei die Selbstbestimmung und Selbstverfügung aufrecht bleiben müssen (Prinzip der Freiwilligkeit, Recht auf Verweigerung). Soziale Arbeit als „Politik des Sozialen und am Sozialen“ grenzt sich von einer psychologisierenden Pädagogik ab und macht sich dort schuldig, wo den Leuten ihre innere Einstellung und das Verhalten vorgehalten wird.
Helfen heißt in unserem Kontext einerseits, wichtige Übersetzungsarbeit von gesellschaftlicher Realität und Rationalität zu leisten, andererseits aber alle Interventionsschritte auf ihren Lebenswelt- und Alltagsbezug hin zu überprüfen.
Der Blick auf die gesellschaftliche Realität mit ihrer herrschafts- und gewaltförmigen Struktur dient dabei als Folie der kritischen Bestandsaufnahme.
Besondere Aufmerksamkeit muss hier auf die marktförmigen Rationalisierungen seit den 1980er Jahren gelegt werden. Die als „Neoliberalismus“ bezeichnete Umformung von Markt und Staat hat weitreichende Konsequenzen für uns alle, insbesondere aber für jene, die von Armut und sozialer Ausschließung betroffen sind.3 Die Herausforderung für die Soziale Arbeit ist dabei, für die Leute Möglichkeiten einer Alltagsperspektive „von unten“ zu eröffnen. War das Private über Jahrzehnte noch vom totalen Zugriff des Staates weitgehend verschont geblieben, werden nun die Prinzipien der Konkurrenz in sämtliche Sphären der institutionellen Ordnung (Verwaltung, Bildung, Privatsphäre etc.) durchgesetzt.
Letztlich muss ein Ziel der Sozialen Arbeit darin bestehen, wohlfahrtstaatlich verwaltete, gesellschaftlich erzeugte, Ressourcen (nicht nur monetäre) in Phasen der Arbeitslosigkeit, Armut und Prekarität nutzbar zu machen und eigenständige und eigensinnige Strategien des Überlebens zu unterstützen.
DOWAS/Chill Out im September 2024
¹ Pädagogik des Sozialen und Soziale Arbeit: Widersprüche 168, 2023
² Tilman Lutz, Wandel der Sozialen Arbeit: von der Pathologisierung zur Responsibilisierung, Springer 2015
³ Roland Anhorn, Zur Funktionsbestimmung Sozialer Arbeit: sozialmagazin 2024